Grenzüberschreitende Prüfungszusammenarbeit in Joint Audits und Simultanprüfungen im Bereich direkte Steuern
Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ist als zentrales Verbindungsbüro für die Koordinierung grenzüberschreitender Prüfungszusammenarbeit in gemeinsamen Prüfungen (Joint Audits) und gleichzeitigen Prüfungen (Simultanprüfungen) zuständig. In der internationalen Prüfungszusammenarbeit bei direkten Steuern (in Deutschland Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) sind gemeinsame Prüfung behördliche Ermittlungen, die von der deutschen zuständigen Finanzbehörde gemeinsam mit der entsprechenden Behörde eines anderen Staates in Bezug auf eine Person oder mehrere Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchgeführt werden. Das Ziel der gemeinsamen Prüfung ist die Einigung über den Sachverhalt und die Umstände, die Gegenstand der behördlichen Ermittlungen sind, sowie die einvernehmliche steuerliche Würdigung auf Basis dieses Sachverhaltes. Eine gleichzeitige Prüfung sind behördliche Ermittlungen, die von der zuständigen Finanzbehörde gleichzeitig mit der entsprechenden Behörde eines anderen Staates in Bezug auf eine Person oder mehrere Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchgeführt werden, um die erlangten Informationen auszutauschen.
Rechtsgrundlagen
Innerhalb der EU schafft die kurz so genannte EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011) einen einheitlichen Rahmen für die grenzüberschreitende Prüfungszusammenarbeit im Bereich der direkten Steuern. Gleichzeitige Prüfungen (in der englischsprachigen Fassung: simultaneous controls) sind dort in Art. 12 schon seit 2011 geregelt. Mit einer Änderungsrichtlinie von 2021 wurde außerdem ein Art. 12a zu gemeinsamen Prüfungen (in der englischsprachigen Fassung: joint audits) eingefügt. Der neue Art. 12a war so in nationales Recht umzusetzen, dass seit 2024 gemeinsame Prüfungen (joint audits) nach den neuen Regeln durchgeführt werden können.
In Deutschland wurden die Vorgaben der Richtlinie zu gleichzeitigen Prüfungen und gemeinsamen Prüfungen innerhalb der EU in § 12 (2024 geändert) und § 12a (2024 neu hinzugekommen) des deutschen EU-Amtshilfegesetzes (EUAHiG) umgesetzt. Zusätzlich wurde in Deutschland 2024 ein neuer § 117e in die Abgabenordnung (AO) eingefügt, der klarstellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen in entsprechender Anwendung der Regeln in §§ 12, 12a EUAHiG gemeinsame Prüfungen oder gleichzeitige Prüfungen auch mit Drittstaaten (also Staaten außerhalb der EU) möglich sind. Für diese Drittstaatenfälle verweist § 117e AO hinsichtlich des Informationsaustauschs innerhalb der gleichzeitigen oder gemeinsamen Prüfung auf einschlägige völkerrechtliche Vereinbarungen. Dabei handelt es sich insbesondere um die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen (die regelmäßig einen Art. 26 des OECD-Musters nachgebildeten Artikel zu Informationsaustausch enthalten) und das Amtshilfeübereinkommen 1988/2010 (Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters, deutsches Zustimmungsgesetz vom 16. Juli 2015).
Merkblätter
Die aktuellen zwischen Bund und Ländern abgestimmten Verwaltungsanweisungen zu gemeinsamen Prüfungen und gleichzeitigen Prüfungen im Bereich der direkten Steuern finden sich im „Merkblatt zur grenzüberschreitenden Prüfungszusammenarbeit mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete“ vom 15. Mai 2025, BStBl. I 2025, 1181. Dieses Merkblatt vom 15. Mai 2025 hat ein früheres Merkblatt vom 9. Januar 2017 abgelöst (das alte Merkblatt von 2017 ist nicht mehr anzuwenden).
Definitionen, Ziele und Anwendungsbereiche
Gemeinsame Prüfung
Eine gemeinsame Prüfung sind behördliche Ermittlungen, die von der (deutschen) zuständigen Finanzbehörde gemeinsam mit der entsprechenden Behörde eines anderen Staates oder Gebietes in Bezug auf eine Person oder mehrere Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchgeführt werden (§ 12a Absatz 2 Satz 1 EUAHiG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 117e AO). In welcher Weise die gemeinsame Prüfung durchgeführt wird, stimmen die zentralen Verbindungsbüros der beteiligten Staaten untereinander ab. Das Ziel der gemeinsamen Prüfung ist die Einigung über den Sachverhalt und die Umstände, die Gegenstand der behördlichen Ermittlungen sind, sowie die einvernehmliche steuerliche Würdigung auf Basis dieses Sachverhaltes (§ 12a Absatz 2 Satz 2 EUAHiG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 117e AO).
Zentrales Element der gemeinsamen Prüfung ist das Einigungsbemühen. Die Anwesenheit von Bediensteten anderer Staaten oder Gebiete im Inland oder die Anwesenheit von inländischen Bediensteten im Ausland kann Bestandteil einer gemeinsamen Prüfung sein.
Die gemeinsame Prüfung bietet sich daher insbesondere an, wenn eine konkrete Erwartung besteht (zum Beispiel bei Fragen zu Verrechnungspreisen oder zu Betriebsstätten und bei Modellen der grenzüberschreitenden Steuergestaltung und Steuervermeidung),
- dass es bei rein unilateralem Vorgehen zu einer Doppelbesteuerung oder einer Nichtbesteuerung in beiden Staaten kommen könnte und
- dass eine solche Doppelbesteuerung oder eine Nichtbesteuerung in beiden Staaten durch ein grenzüberschreitendes Einvernehmen schon im Rahmen der Prüfung vermieden werden könnte.
Gleichzeitige Prüfung
Eine gleichzeitige Prüfung sind behördliche Ermittlungen, die von der (deutschen) zuständigen Finanzbehörde gleichzeitig mit der entsprechenden Behörde eines anderen Staates oder Gebietes in Bezug auf eine Person oder mehrere Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchgeführt werden, um die erlangten Informationen auszutauschen (§ 12 Absatz 2 Satz 1 EUAHiG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 117e AO). Die Durchführung wird von den zentralen Verbindungsbüros der beteiligten Staaten koordiniert. Die gleichzeitige Prüfung ist dadurch gekennzeichnet, dass jede Behörde im eigenen Hoheitsgebiet untereinander abgestimmte Ermittlungshandlungen vornimmt und die dadurch erlangten Informationen dann der anderen Behörde mitteilt. Diese andere Behörde kann die erhaltenen Informationen für das Besteuerungsverfahren nutzen.
Das Ziel der gleichzeitigen Prüfung ist lediglich der Austausch der erlangten Informationen.
Die gleichzeitige Prüfung bietet sich daher insbesondere an, wenn
- eine konkrete Erwartung besteht, dass es bei rein unilateralem Vorgehen zu einer Doppelbesteuerung oder zu einer Nichtbesteuerung in beiden Staaten kommen könnte, der Staat, mit dem die Zusammenarbeit in Betracht kommt, keine gemeinsame Prüfung durchführen kann oder will, und der Informationsaustausch bei einer gleichzeitigen Prüfung das Risiko einer Doppelbesteuerung oder einer Nichtbesteuerung in beiden Staaten zumindest vermindern könnte, oder
- hierdurch Zugriff auf Informationen zu erhalten ist, die ohne die gleichzeitige Prüfung nicht oder nur erschwert zugänglich wären (ohne dass es darauf ankommt, dass die nationalen Ermittlungsmöglichkeiten tatsächlich schon erschöpft sind), und nicht die Erwartung besteht, dass es bei einem rein unilateralen Vorgehen zu einer Doppelbesteuerung im Verhältnis zu dem Staat, mit dem die Zusammenarbeit in Betracht kommt, kommen könnte.
Zuständigkeiten
An der Durchführung gemeinsamer Prüfungen (Joint Audits) oder gleichzeitiger Prüfungen (Simultanprüfungen) sind auf deutscher Seite jeweils die "zuständige Finanzbehörde" und das "zentrale Verbindungsbüro" beteiligt.
Zuständige Finanzbehörde ist die für Ermittlungshandlungen zuständige Finanzbehörde. Soweit die Verwaltungszusammenarbeit auf inländischer Seite im Rahmen einer Außenprüfung durchgeführt wird beziehungsweise werden soll, ist zuständige Finanzbehörde das für die Außenprüfung zuständige Finanzamt, gegebenenfalls unter Mitwirkung des BZSt (Bundesbetriebsprüfung). Hinsichtlich der Verwaltung der Versicherung- und Feuerschutzsteuer und im Fall von Auftragsprüfungen nach § 19 Absatz 3 Finanzverwaltungsgesetz ist das BZSt zuständige Finanzbehörde. Bei Ermittlungshandlungen außerhalb von Außenprüfungen kommt als zuständige Finanzbehörde insbesondere das für die Veranlagung zuständige Finanzamt in Betracht.
Zentrales Verbindungsbüro ist das BZSt. Innerhalb des BZSt wird die Aufgabe des zentralen Verbindungsbüros für den Bereich gemeinsame Prüfungen und gleichzeitige Prüfungen zu direkten Steuern vom Referat Bp 27 wahrgenommen.
Das BZSt als zentrales Verbindungsbüro benennt für jeden Einzelfall eine oder einen seiner Bediensteten, die oder der für die Beaufsichtigung und Koordinierung der Verwaltungszusammenarbeit beziehungsweise der angestrebten Verwaltungszusammenarbeit verantwortlich ist. Die benannte Koordinatorin oder der benannte Koordinator stellt dabei in erster Linie für den Einzelfall die Abstimmung mit den in- und ausländischen Behörden sowie die Wahrung der Maßgaben für eine zulässige Informationsübermittlung sicher.
Beteiligte Behörden im Sinne von § 12a Absatz 3 und 4 EUAHiG sind sowohl die zuständige Finanzbehörde und das BZSt mit der mitwirkenden Bundesbetriebsprüfung als auch das zentrale Verbindungsbüro. Alle beteiligten Behörden stimmen sich untereinander ab.
Ingangsetzen einer gemeinsamen Prüfung oder gleichzeitigen Prüfung
Initiierung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung durch die inländische Steuerverwaltung
Auf Vorschlag der zuständigen Finanzbehörde (d.h. in der Regel des für eine Außenprüfung zuständigen Finanzamts) kann das zentrale Verbindungsbüro einen oder mehrere EU-Mitgliedstaaten ersuchen, eine gemeinsame oder eine gleichzeitige Prüfung durchzuführen (§ 12a Absatz 1 Satz 1 beziehungsweise § 12 Absatz 1 Satz 1 EUAHiG). Die nach § 19 Absatz 1 und 2 Finanzverwaltungsgesetz an einer Außenprüfung mitwirkende Bundesbetriebsprüfung kann die Durchführung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung gegenüber dem für die Außenprüfung zuständigen Finanzamt anregen.
In diesen Fällen bestimmt die zuständige Finanzbehörde, für welche Person oder welche Personen eine gemeinsame oder gleichzeitige Prüfung durchgeführt werden soll, begründet die Auswahl und gibt den Zeitraum an, in dem die Prüfung durchgeführt werden soll (§ 12 Absatz 4, gegebenenfalls in Verbindung mit § 12a Absatz 1 Satz 4 EUAHiG). Mit der mitwirkenden Bundesbetriebsprüfung erfolgt eine Abstimmung.
Der Vorschlag soll ausreichende Angaben enthalten, um dem anderen Staat oder den anderen Staaten eine informierte Entscheidung über das Ersuchen zu ermöglichen und um Rückfragen zu vermeiden. Angegeben werden soll zum Beispiel:
- der Zeitraum, der geprüft werden soll,
- die Bezeichnung des ausländischen Unternehmens oder Unternehmensteils, das geprüft werden soll,
- eine Beschreibung der zu prüfenden Transaktionen (einschließlich der betragsmäßigen Größenordnung).
Für alle betroffenen Finanzbehörden sollte schlüssig und nachvollziehbar sein, warum sich eine gemeinsame oder gleichzeitige Prüfung anbietet.
Das Merkblatt (siehe oben) enthält in Anlage 1 ein Muster für Vorschläge. Der Vorschlag kann in deutscher Sprache erstellt werden.
Der Vorschlag soll per E-Mail an das zentrale Verbindungsbüro (Adresse: joint.audit@bzst.bund.de) übermittelt werden. Dabei ist der landesintern vorgegebene Dienstweg einzuhalten.
Das zentrale Verbindungsbüro (BZSt, Referat Bp 27) prüft die rechtliche Zulässigkeit der vorgeschlagenen gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung. Es kann auf dem landesintern vorgegebenen Dienstweg mit der vorschlagenden zuständigen Finanzbehörde Kontakt aufnehmen, um Fragen zu klären und um Änderungen oder Ergänzungen am Vorschlag abzustimmen. Das zentrale Verbindungsbüro übernimmt im Anschluss die Übersetzung des Vorschlags in die Sprache, in der mit den Verbindungsbüros der betroffenen anderen Staaten gewöhnlich kommuniziert wird (in der Regel Englisch), und übermittelt den Vorschlag als Ersuchen des inländischen zentralen Verbindungsbüros an das zentrale Verbindungsbüro des anderen betroffenen Staates oder der anderen betroffenen Staaten.
Ersuchte Staaten sind gehalten, innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt des Ersuchens ihr Einverständnis oder ihre begründete Ablehnung zu erklären (vergleiche Artikel 12 Absatz 3, Artikel 12a Absatz 1 Satz 2 EU-Amtshilferichtlinie).
Über § 117e AO gelten die beschriebenen Abläufe auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Anders als bei EU-Mitgliedstaaten besteht für Drittstaaten aber keine rechtliche Verpflichtung, innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt des Ersuchens ihr Einverständnis oder ihre begründete Ablehnung zu erklären. Bei beabsichtigter Zusammenarbeit mit Drittstaaten ist vor Übermittlung eines Ersuchens ins Ausland die nach § 117e Absatz 2 Satz 3 AO in der Regel weiterhin bestehende Anhörungspflicht zu beachten.
Initiierung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung durch ausländische Finanzbehörden
Das zentrale Verbindungsbüro (BZSt, Referat Bp 27) nimmt Ersuchen anderer EU-Mitgliedstaaten, eine gemeinsame oder eine gleichzeitige Prüfung durchzuführen, entgegen (§ 12a Absatz 1 Satz 2 beziehungsweise § 12 Absatz 1 Satz 2 EUAHiG). Es prüft die rechtliche Zulässigkeit der eingehenden Ersuchen und unterrichtet das für die Außenprüfung zuständige Finanzamt auf dem landesintern vorgegebenen Dienstweg sowie das gegebenenfalls für eine Prüfungsmitwirkung nach § 19 Absatz 1 und 2 FVG zuständige Referat im BZSt. Die Übermittlung erfolgt in der Regel per E-Mail an die dem zentralen Verbindungsbüro jeweils für diesen Zweck benannten elektronischen Postfächer. In englischer Sprache eingehende Ersuchen leitet das BZSt ohne Übersetzung weiter.
Die unterrichtete zuständige Finanzbehörde entscheidet, ob sie an der gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung teilnimmt (§ 12a Absatz 1 Satz 4, gegebenenfalls in Verbindung mit § 12 Absatz 5 Satz 1 EUAHiG). Sind mehrere zuständige Finanzbehörden von demselben Ersuchen betroffen, sollte die Entscheidung möglichst nach Abstimmung getroffen werden. In den Fällen, in denen das BZSt an der Außenprüfung mitwirkt (§ 19 Absatz 1 und 2 FVG), entscheidet die zuständige Finanzbehörde unter Einhaltung des landesinternen Dienstweges gemeinsam mit der mitwirkenden Bundesbetriebsprüfung.
Eine ablehnende Entscheidung ist zu begründen.
Die Entscheidung wird unter Beachtung des landesintern vorgegebenen Dienstwegs dem zentralen Verbindungsbüro mitgeteilt. Das zentrale Verbindungsbüro teilt dem ersuchenden Staat innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt des Ersuchens das Einverständnis oder die begründete Ablehnung mit (§ 12 Absatz 5 Satz 2, gegebenenfalls in Verbindung mit § 12a Absatz 1 Satz 4 EUAHiG).
Auf der rechtlichen Grundlage von § 117e AO gelten die vorstehend beschriebenen Abläufe auch im Verhältnis zu Drittstaaten. In diesen Fällen ist die Einhaltung der 60-Tage-Frist nur eine Soll-Maßgabe (§ 117e Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 AO). Vor Übermittlung eines Einverständnisses an die ersuchende ausländische zuständige Behörde ist die nach § 117e Absatz 2 Satz 3 AO in der Regel weiterhin bestehende Anhörungspflicht zu beachten.
Anregung durch Steuerpflichtige
Ein Antragsrecht der Steuerpflichtigen hinsichtlich des Anstoßens einer gemeinsamen Prüfung oder gleichzeitigen Prüfung besteht nicht. Ungeachtet dessen können Steuerpflichtige bei den jeweils zuständigen Finanzbehörden anregen, davon Gebrauch zu machen. Eine Anregung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige im Einzelfall konkrete Hinweise darauf hat, dass es bei ihm ohne eine solche Verwaltungszusammenarbeit durch unilaterale Maßnahmen zu einer Doppelbesteuerung kommen könnte.
Auswahltreffen
Wollen Staaten Informationen austauschen, um zu klären, ob eine der sonstigen Formen der Verwaltungszusammenarbeit in einem bestimmten Fall sinnvoll erscheint, kann optional bereits dafür ein physisches oder virtuelles Treffen zur zwischenstaatlichen Abstimmung und Klärung stattfinden (Auswahltreffen beziehungsweise Selection Meeting). Nach § 12 Absatz 2 Satz 2 und § 12a Absatz 1 Satz 4 EUAHiG können bereits die Informationen, die im Vorfeld der gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung zur Stellung oder der Annahme oder Ablehnung eines Ersuchens eines anderen Staates erforderlich sind, ausgetauscht werden, soweit dies nach § 4 EUAHiG zulässig ist. Auswahltreffen können auch mit Drittstaaten angeregt und durchgeführt werden.
Hinsichtlich der Initiierung eines Auswahltreffens gelten die weiter oben dargestellten Abläufe entsprechend. Die Initiierung eines Auswahltreffens stellt kein formales Ersuchen dar und löst deshalb auch nicht die 60-Tage-Frist aus. Nach dem Auswahltreffen ersucht gegebenenfalls einer der beteiligten Staaten nach den allgemein vorgesehenen Abläufen (siehe weiter oben) um die Durchführung der als sinnvoll angesehenen Form der Verwaltungszusammenarbeit.
Information des Steuerpflichtigen bei gemeinsamen und gleichzeitigen Prüfungen
Die inländische steuerpflichtige Person, auf die sich eine gemeinsame oder gleichzeitige Prüfung bezieht, wird durch das zentrale Verbindungsbüro grundsätzlich unverzüglich über die Durchführung der gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung informiert, sobald das Einverständnis über das Zustandekommen der Prüfung bei inländisch initiierten Fällen von dem anderen EU-Mitgliedstaat oder bei ausländisch initiierten Fällen durch das zentrale Verbindungsbüro übermittelt worden ist (§§ 12 Absatz 6 Satz 1 und 12a Absatz 1 Satz 4 EUAHiG).
Weiterer Ablauf
Auftaktsitzung
Nach der zwischenstaatlichen Vereinbarung einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung findet üblicherweise eine Auftaktsitzung statt. Diese kann physisch oder virtuell durchgeführt werden. Von inländischer Seite nehmen in der Regel die Koordinatoren und die weiteren für den Einzelfall benannten inländischen Bediensteten (i.d.R. die für die Außenprüfung der deutschen geprüften Personen zuständigen Betriebsprüfer) teil.
Die Auftaktsitzung dient einem ersten intensiven unmittelbaren Austausch zum Prüfungsfall sowie zur Abstimmung der weiteren Zusammenarbeit.
Die Amtssprache für das inländische Besteuerungsverfahren bleibt Deutsch. Als Arbeitssprache für die gemeinsame Prüfung oder gleichzeitige Prüfung können im Einvernehmen mit allen Beteiligten auch Fremdsprachen (i.d.R. Englisch) bestimmt werden.
Weitere Durchführung
Im Rahmen einer gemeinsamen oder gleichzeitigen Prüfung können z. B. gemeinschaftliche/koordinierte Prüfungsanfragen an die Steuerpflichtigen gerichtet oder verantwortliche Personen gemeinsam befragt werden.
Die ermittelnden inländischen Finanzbehörden führen, sofern Ermittlungen im Inland durchgeführt werden, diese auch im Kontext einer gleichzeitigen oder gemeinsamen Prüfung in der Regel nach den für die gewöhnlichen Ermittlungen einschlägigen Rechtsgrundlagen und Abläufen durch.
Bei einer Anwesenheit von Bediensteten anderer EU-Mitgliedstaaten im Inland ergeben sich deren Befugnisse aus § 10 Absatz 1 in Verbindung mit § 10 Absatz 3 EUAHiG. Demnach dürfen nach Gestattung durch das zentrale Verbindungsbüro im Einzelfall unter von diesem festgelegten Voraussetzungen Bedienstete eines anderen Staates für Zwecke des Informationsaustausches
- in den Amtsräumen zugegen sein, in denen die Finanzbehörden ihre Tätigkeiten ausüben,
- bei den behördlichen Ermittlungen zugegen sein, die auf deutschem Hoheitsgebiet von den Finanzbehörden durchgeführt werden, und
- unter Einhaltung des inländischen Verfahrensrechts im Beisein eines inländischen Bediensteten Personen befragen und Aufzeichnungen prüfen.
Im Rahmen einer gemeinsamen Prüfung gelten die Befugnisse nach § 12a Absatz 1 Satz 4 EUAHiG (mit Ausnahme von § 10 Absatz 1 Satz 3 und 4 EUAHiG) entsprechend.
Bevor die Anwesenheit von Bediensteten anderer Staaten im Inland gestattet wird, stimmt sich das zentrale Verbindungsbüro mit der jeweils für Ermittlungshandlungen im Inland zuständigen Behörde und mitwirkenden Bundesbetriebsprüfung ab.
Für die Anwesenheit von inländischen Bediensteten im Ausland gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend (§ 11 EUAHiG in Verbindung mit § 10 EUAHiG). Kommt es im Rahmen einer gemeinsamen Prüfung zur Anwesenheit von inländischen Bediensteten im Ausland, gilt (mit Ausnahme von § 10 Absatz 1 Satz 3 und 4 EUAHiG) § 11 in Verbindung mit § 10 EUAHiG entsprechend (§ 12a Absatz 1 Satz 4 EUAHiG). Für die Anwesenheit von inländischen Bediensteten im Ausland ist es erforderlich, dass sie durch die ausländische zuständige Behörde gestattet wird.
Einigungsbemühen bei gemeinsamen Prüfungen
Über den Austausch von Informationen hinaus ist Besonderheit der gemeinsamen Prüfung das Einigungsbemühen. Die beteiligten Behörden bemühen sich,
- sich mit der entsprechenden Behörde des anderen Staates über den Sachverhalt und die Umstände, die Gegenstand der gemeinsamen Prüfung sind, zu einigen sowie
- eine einvernehmliche steuerliche Würdigung im Rahmen des jeweils geltenden Rechts auf Basis dieses Sachverhalts zu erreichen (§ 12a Absatz 4 Satz 1 EUAHiG).
Eine einvernehmliche Würdigung wird angestrebt, ist aber nicht zwingend.
Gemeinsamer Prüfungsbericht bei gemeinsamen Prüfungen
Die Feststellungen, über die in einer gemeinsamen Prüfung Einigung erzielt worden ist, sind in einem gemeinsamen Prüfungsbericht festzuhalten. Die Feststellungen, über die in der gemeinsamen Prüfung keine Einigung erzielt worden ist, können in dem gemeinsamen Prüfungsbericht festgehalten werden (§ 12a Absatz 4 Satz 2 EUAHiG). Bei gemeinsamen Prüfungen mit Drittstaaten sollen die Feststellungen in einem gemeinsamen Prüfungsbericht festgehalten werden, soweit der andere Staat dazu bereit ist (§ 117e Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 AO). Der gemeinsame Prüfungsbericht soll sich an dem Muster orientieren, das in der Anlage 4 des Merkblatts (siehe oben) enthalten ist.
Der gemeinsame Prüfungsbericht wird zwischen den inländischen beteiligten Behörden und den entsprechenden Behörden der anderen an der gemeinsamen Prüfung beteiligten Staaten abgestimmt.
Die inländische Person, auf die sich die gemeinsame Prüfung bezieht, muss innerhalb von 60 Tagen nach der Erstellung des gemeinsamen Prüfungsberichtes durch die für diese Ermittlung zuständige Finanzbehörde über das Ergebnis der gemeinsamen Prüfung unterrichtet werden; der Unterrichtung ist eine Kopie des gemeinsamen Prüfungsberichtes beizufügen (§ 12a Absatz 5 Satz 1 und 2 EUAHiG).
Umsetzung der Feststellungen
Inwieweit in Deutschland die Feststellungen der gemeinsamen Prüfung umgesetzt werden, bestimmt sich nach dem inländischen Recht (§ 12a Absatz 4 Satz 3 EUAHiG). Demnach werden die Feststellungen aus dem gemeinsamen Prüfungsbericht im Sinne von § 12a Absatz 4 EUAHiG, sofern es sich im Inland um eine Außenprüfung handelt, in den Prüfungsberichten nach § 202 AO berücksichtigt und wie Feststellungen rein nationaler Prüfungen anschließend in Steuerbescheiden gewürdigt. Dies schließt die Möglichkeit ein, die Feststellungen aus der gemeinsamen Prüfung zum Gegenstand eines Teilprüfungsberichts und im Anschluss zum Gegenstand eines Teilabschlussbescheids nach § 202 Absatz 3 in Verbindung mit § 180 Absatz 1a AO zu machen.
Das Recht des Steuerpflichtigen, nach einer gemeinsamen Prüfung oder einer gleichzeitigen Prüfung ein auf den Prüfungszeitraum bezogenes internationales Streitbeilegungsverfahren zu beantragen, bleibt unberührt. Ein entsprechender Antrag kommt insbesondere in Betracht, wenn
- die im gemeinsamen Prüfungsbericht vorgesehene Besteuerung aus Sicht des Steuerpflichtigen nicht dem DBA entspricht, oder
- in der gemeinsamen Prüfung keine gemeinsame Sichtweise der beteiligten Behörden darüber erreicht wird, welche Besteuerung dem DBA entspricht.
Finanzierung von Reisekosten
Reisekosten der inländischen und ausländischen Prüfungskräfte, die an gemeinsamen Prüfungen (Joint Audits) oder gleichzeitigen Prüfungen (Simultanprüfungen) innerhalb der EU beteiligt sind, können in der Regel aus Haushaltsmitteln der EU finanziert werden. Dafür stehen grundsätzlich Mittel aus dem Fiscalis-Programm der EU zur Verfügung. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren im zentralen Verbindungsbüro (BZSt, Referat Bp 27) unterstützen bei der Inanspruchnahme und informieren rechtzeitig über die erforderlichen Schritte.
Kontakt
Bundeszentralamt für Steuern
Referat Bp 27
An der Küppe 1
53225 Bonn
Telefon:
+49 228 406-0 oder -2314 (Einsatzstelle Bp)
Fax: +49 228 406-2643
joint.audit@bzst.bund.de
Zuständigkeitsbereich:
Koordinierung internationaler gleichzeitiger/gemeinsamer Prüfungen